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Interview mit Harder-Völkmann

Seit nunmehr 25 Jahren baut und restauriert Markus Harder-Völkmann Orgeln verschiedenster Epochen und Stile. Zwischen August 2012 und Mai 2013 sanierte er die Weiße-Rose-Orgel im Lichthof der LMU. Höchste Zeit dem Orgelbauer ein paar Fragen zu stellen ...

Herr Harder-Völkmann, wie viele Orgeln haben Sie bereits gebaut oder renoviert?
In den jetzt 13 Jahren meiner selbstständigen Tätigkeit sind in meiner eigenen Werkstatt 15 neue Instrumente entstanden - ihre Größe liegt dabei zwischen 3 und 30 Registern. Zum Vergleich: Die Weiße Rose Orgel verfügt über 26 echte Register, d.h. unabhängige Pfeifenreihen. Dazu kommen diverse Überholungen, Instandsetzungen, Umbauten bestehender Instrumente, das größte davon mit 51 Registern.

Was war Ihr größtes Projekt bis jetzt?
Das Orgelprojekt im Stockwerk in Gröbenzell im Münchner Westen. Auch ein säkulares Instrument - im Foyer eines Bürohauses. Das ist ein Neubau unter teilweiser Verwendung historischen Materials, nicht nur mit zahlreichen Orgelregistern, sondern ebenso mit integrierten echten akustischen Orchesterinstrumenten wie Klavier, Akkordeon, Glockenspiel, Marimba und Schlagwerk - alles vom Organisten vom Spieltisch aus gesteuert. Also ein großes Ein-Mann-Orchester für alle erdenklichen musikalischen Stile, ob klassisches Konzert, Experimentelles oder Stummfilmbegleitung.

Weiße-Rose-OrgelTaschensanierung der Orgel

Die Weiße-Rose-Orgel lag jahrzehntelang im Dornröschenschlaf. Wussten Sie, dass es im Lichthof der LMU eine Orgel gibt?
Nein, mir wurde erst mit der Anfrage durch die Universität nach einer Begutachtung bewusst, dass ich, bevor ich mich beruflich für den Orgelbau entschied, mehrere Semester eines angefangenen Studiums der Musikwissenschaften blind und nichtsahnend unter meiner späteren Wirkungsstätte hindurchtaumelte! (lacht)

Der Einbau der Orgel im Jahr 1960 war wegen der besonderen Akustik des Lichthofs umstritten. Hätten Sie auch abgeraten?
Die Akustik in diesem Raum ist schon ausgesprochen speziell und für eine ausgeglichene Intonation aller Klangfarben und Tonlagen schwierig. Einer extremeren Situation bin ich bisher nur bei der Abstimmung einer orgelbasierten Klanginstallation im stillgelegten Gaskessel in Augsburg-Oberhausen begegnet, wo ein Bach´sches Präludium in 130-facher Verlangsamung und zwei Oktaven heruntertransponiert durch ein Foucault´sches Pendel gesteuert abgespielt wird. Hier ist die Nachhallzeit noch etwa 3-mal länger als im Lichthof der LMU. Aber es liegt natürlich auch eine Herausforderung darin, solche anspruchsvollen Räume klanglich zu meistern und der Orgelmusik zu öffnen. Abgeraten hätte ich also nicht, jedoch hätte ich die Orgel mit anderen tragfähigeren, teils auch kräftigeren Klangfarben besetzt, die diesen Raum besser füllten.

Warum funktionierte die Orgel zuletzt nicht mehr? Welche Schäden waren zu beheben?
Insbesondere waren bestimmte Dichtungen der Ventile zu den Pfeifen marode, die 1960 in damals modernen Schaumstoffen hergestellt wurden. Diese Zeit glaubte an die damals neuen Werkstoffe, die ihre langfristige Brauchbarkeit noch nicht erwiesen hatten. Längst ist der Orgelbau hier wieder zu traditionellen Materialien zurückgekehrt, die in historischen Orgeln viele Jahrzehnte bis Jahrhunderte halten. So haben wir sämtliche Dichtungen jetzt wieder in Filz und Leder ausgeführt. Zudem waren 30 Pfeifen aus dem Instrument entwendet, die neu angefertigt werden mussten. Der Rest war Zerlegen, Reinigen, Wiedereinbau, Einregulieren, Intonation und Stimmung.

Wie viele Arbeitsstunden waren Sie in etwa mit der Weiße-Rose-Orgel beschäftigt?
Zwischen 900 und 1000 Stunden sind etwa zustande gekommen.

Wir haben gehört, dass sich die Orgel nun auch wireless ansteuern lässt. Das ist ja unglaublich!
Bei dieser Technologie zur Ansteuerung eines ja an sich rein akustisch den Klang erzeugenden Instruments per eines elektronischen Datenbusses sind wir wirklich auf dem neuesten Stand im Orgelbau. Ob die Übertragung der Schaltbefehle vom Spieltisch zur eigentlichen Orgel dabei mit "wire" oder "wireless" erfolgt, ist eigentlich eher eine Frage der räumlichen Gegebenheiten, möglichen Kabelwege und Gefahr von Einstreuungen in den Signalweg. Die eigentliche Kunst liegt dabei weniger in der hier verwirklichten Drahtlosigkeit der Übertragung, sondern in der möglichst intelligenten Ausnutzung der klanglichen Ressourcen eines Instruments durch geschicktes Routen. Da kann man heute per Elektronischer Komponenten viel mehr rausholen, als dies der vorhandene elektrische Spieltisch von 1960 ermöglicht.

Sind Sie schwindelfrei?
Wer, außer Mahatma Gandhi und den Geschwistern Scholl, ist schon wirklich schwindelfrei! (lacht)

Für welches Repertoire ist die Weiße-Rose-Orgel Ihrer Ansicht nach besonders geeignet?
So wie sie heute besetzt ist, ist sie im Kern ein neobarockes Instrument, bereichert mit nur einem kleinen Anteil romantisch orientierten Klangmaterials. Sie ist also an sich kein großes voluminös klingendes, den Hörer überwältigendes Konzertinstrument, sondern tendenziell für nuancierte Begleitung geeignet. Weshalb bei der Eröffnung vom 9. November ja durch den Organisten zur Bereicherung auch virtuelle Klänge zugespielt wurden - eine Möglichkeit zur klanglichen Ausweitung, die jetzt mit der elektronischen Ansteuerbarkeit erst gegeben ist.

Die Weiße-Rose-Orgel ist als Gedenkorgel konzipiert. Kennen Sie dafür noch weitere Beispiele?
Es existieren natürlich auch sonst Orgeln an säkularen Orten, die nicht als Konzertsaalinstrumente angelegt sind. Doch direkt dem Gedenken an bestimmte herausstehende Persönlichkeiten gewidmete Instrumente kenne ich sonst nicht. Das Außergewöhnliche ist hier meines Erachtens, dass man eben kein konzertantes Instrument - schon von der stimmlichen Besetzung her - für diesen Ort konzipierte, sondern eher ein rituelles Begleitinstrument beabsichtigte. Nur ist der Ritus hier eben kein kirchlicher, sondern ein weltlicher für die hohen Werte der Zivilcourage und Menschenwürde.

Herr Harder-Völkmann, wir bedanken uns für dieses Gespräch!